Das Wiener Forumtheater zu Gast an der FOSBOS Weißenburg
Einer in den letzten Jahren etablierten Tradition nach durfte die FOSBOS Weißenburg auch heuer wieder die Schauspielgruppe „Wiener Forumtheater“ unter der Leitung von Herrn Peter Arnd begrüßen. Nach Stücken wie „Andorra“ und „Nathan der Weise“ gaben die Akteure mit Friedrich Dürrenmatts „Die Physiker“ erneut einen bekannten und beliebten Klassiker zum Besten, der im Mantel einer amüsanten Verwechslungskomödie eines der großen Themen unserer Zeit behandelt: Die Unaufhaltsamkeit des wissenschaftlichen Fortschritts und die Frage nach der Verantwortung im Umgang mit dieser Entwicklung. Zwar ist das Stück bereits 1961 unter dem Eindruck des Kalten Krieges, der ständigen Angst vor einem gewaltsamen Ausbruch des Konfliktes und dem damit einhergehenden Einsatz des gewaltigen nuklearen Waffenarsenals entstanden, dennoch hat das Motiv der Zweischneidigkeit wissenschaftlicher Entwicklungen nichts an Aktualität verloren.
Konkret finden sich die Zuschauer nach einer kurzen Einführung in die Thematik durch Herrn Arnd in einer psychiatrischen Heilanstalt wieder, in welcher sich der verrückt gewordene Dr. Möbius, der die so genannte „Weltformel“ gefunden hat, zur Behandlung befindet. Hier begegnet das Publikum zunächst Inspektor Voß, der mehrere Morde an Schwestern der Anstalt untersucht und dabei nacheinander Personal und Insassen befragt, darunter „Albert Einstein“ und „Isaac Newton“. Im Laufe der Handlung stellt sich jedoch heraus, dass keiner der Patienten tatsächlich verrückt ist: Während Dr. Möbius aus Sorge über den Missbrauch seiner Weltformel für militärische Zwecke seinen Irrsinn vorspielt, entpuppen sich Einstein und Newton als Agenten verfeindeter Großmächte, die sich nur wahnhaft als verstorbene Wissenschaftler ausgeben, um Möbius seine Erkenntnisse zu entlocken, und zur Geheimhaltung ihrer Identität die Schwestern ermordeten. Zwar kommt es auch im Stück letztendlich zur großen Enttarnung, jedoch kann der Entdecker der Weltformel die beiden Agenten von der Gefahr und der Notwendigkeit der Geheimhaltung seines Wissens überzeugen, man beschließt, die Scheinidentitäten bis ans Lebensende beizubehalten und in der Heilanstalt zu verbleiben. Damit könnte das Stück enden und die Bedrohung durch die Weltformel durch die Verleugnung der Erkenntnisse abgewendet sein, so einfach macht es Dürrenmatt seinen Figuren sowie gleichermaßen dem Publikum allerdings nicht. Die Leiterin der Anstalt hat bereits alle Schriften von Dr. Möbius fleißig kopiert und verschwindet frohlockend über den zu erwartenden Gewinn aus dem Verkauf des gestohlenen Wissens. Zurück bleiben die drei resignierten „Physiker“ und die ernüchternde Erkenntnis: „Was einmal gedacht wurde, kann nicht mehr zurückgenommen werden“.
Zunächst wie eine lustige Schlusspointe anmutend, bringt die letzte Szene jedoch auch die eigentlich zentrale Problematik des Stückes auf den Punkt. Mit der fortschreitenden Mehrung wissenschaftlicher Errungenschaften steigt das Potential eines Missbrauchs, weshalb es riskant scheint, diese auf gut Glück der Menschheit zur Verfügung zu stellen, wie es etwa „Newton“ im Stück fordert. Aber auch die Ansicht „Einsteins“, die Erkenntnisse bewusst nur einem, vermeintlich positiv gesinnten Teil der Menschheit zukommen zu lassen, kann das Risiko eines negativen Einsatzes nicht ausschließen. Entsprechend schlüssig scheint Dr. Möbius’ Reaktion, die Forschungsergebnisse zurücknehmen zu wollen, was allerdings offenkundig zum Scheitern verurteilt ist.
Was also tun? Eine Antwort auf diese ewige Frage können auch Dürrenmatts Physiker nicht liefern, wohl aber das Bewusstsein für die Bedeutung der Verantwortung der gesamten Menschheit, insbesondere aber der nachfolgenden Generationen, schärfen. In dieser Hinsicht bietet das Stück eine Gelegenheit, mit seiner amüsanten, bisweilen auch schwarzhumorigen Art das junge Publikum an die Thematik heranzuführen und zum Nachdenken und Diskutieren anzuregen.
Dies gelingt natürlich besonders gut, wenn die Rollen auf so charmante und gleichzeitig überzeugende Weise ausgefüllt werden, wie es Herr Arnd und seine Kollegen getan haben. Insofern durfte die Schauspielgruppe am Ende auch wohlverdient den anhaltenden Applaus der Schülerinnen und Schüler, aber auch der anwesenden Lehrkräfte genießen.