OStR Andreas Stiepak sammelt in Bratislava Eindrücke im Auslandsschuldienst

Mit dem Programm erasmus+ fördert die Europäische Union Bildungsmobilität in ganz Europa und in Partnerländern. Nicht nur Schülerinnen und Schüler können hierbei Erfahrungen sammeln und ihre persönlichen Horizonte erweitern. Im Rahmen von Jobshadowing können auch Lehrkräfte Einblicke in den Berufsalltag von Kolleginnen und Kollegen im europäischen Ausland gewinnen. Andreas Stiepak, Mitarbeiter in der Schulleitung an der FOSBOS Weißenburg, konnte Ende Mai dieses Jahres für zwei Tage Einblicke in die Arbeit der Schulleitung gewinnen. Nachfolgend schildert er seine Eindrücke.

Höchstwahrscheinlich habe ich die meiste Zeit meines Lebens, die ich außerhalb Deutschlands verbracht habe, in der Slowakei zugebracht. Und mit der Sprache vor Ort funktioniert es durchaus mehr als leidlich, sodass ich das eine oder andere Mal dafür ein Lob einheimse. So ist diese Zugfahrt mit dem ICE und dem IC von Nürnberg über Wien bis Bratislava nicht so wirklich ein Aufbruch ins Unbekannte, aber dennoch in etwas Neues. Ich wollte schon immer einmal eine deutsche Auslandsschule kennenlernen. Jetzt war der Zeitpunkt dafür da.

Ein bisschen macht man sich vor Reisen schlau und das Internet erleichtert einem dieses Bemühen: Auf den Internetseiten der Deutschen Schule in Bratislava sehe ich, dass die Schule 2021 für den Deutschen Schulpreis 2021 nominiert worden ist und das Prädikat Exzellente Deutsche Auslandsschule trägt. Die Deutsche Schule ist erst vor kurzem in komplett sanierte und umgebaute Gebäude in der Bratislava gezogen. „Es handelt sich dabei um eine architektonisch wirklich gelungene Neugestaltung eines Schulgebäudes“, befindet mein Freund Ján. Er ist Architekt in Bratislava.

In der Tat finde ich ein hochmodernes Gebäude vor, welches in vielerlei Hinsicht den Ansprüchen zeitgemäßen Lehrens und Lernens und den Bedürfnissen einer deutschsprachigen Begegnungsschule im Ausland Rechnung trägt. Kinder können hier im Kindergarten beginnen, die Grundschule durchlaufen und nach zwölf Schuljahren mit dem slowakischen und dem deutschen internationalen Abitur abschließen.

Deutsch ist hier Unterrichtsprinzip – und das bereits im Kindergarten. Ein Großteil der Kinder und Schüler kommt aus slowakischen Familien. Während der Pause unterhalten sich die Kinder und Jugendlichen auch in ihrer Muttersprache. Das ist auch gut so. Aber ich erlebe durchwegs junge Menschen, die sich flüssig und fließend mit ihren slowakischen und deutschen Erziehern und Lehrkräften auf Deutsch unterhalten. Mir fällt ein slowakisches Sprichwort ein: „Koľko rečí vieš, toľko krát si človekom..“ – „So viele Sprachen wie du sprichst, so oft bist du Mensch.“

Ich sehe didaktische Lernlandschaften, Klassenräume für Teamteaching, Smartboards, höhenverstellbare Arbeitstische für Lehrer und Schüler auf Rollen und erfahre, dass es für Schüler und Lehrer eine digitale 1:1-Ausstattung gibt. Jedes Mitglied der Schulgemeinschaft verfügt über ein digitales Endgerät. Hier ist Lernen der Zukunft, Lernen 4.0, schon Gegenwart geworden. Dazu gehört aber in jedem Fall eine zeitgemäße Ausgestaltung von Lehren und Lernen. Die Deutsche Schule in Bratislava unter der Leitung der aus Oberfranken stammenden Schulleiterin Carmen Nasse hat hierzu das Konzept der „Frei-Days“ entwickelt. Je nach Alter der Schülerinnen und Schüler steht ein ganzer Schultag pro Woche für fachgebundene, jedoch offene und von Lehrkräften begleitete Projektarbeit zur Verfügung, die in die jeweiligen Stundentafeln der Schulfächer integriert sind. Neue Prüfungsformate werden ausprobiert. Wir sind uns einig: Wenn ChatGPT das bayerische Abitur besteht, dann kann moderner Unterricht nicht wie noch vor 10, 20 oder 50 Jahren aussehen. Schülerinnen und Schüler müssen lernen, Verantwortung für ihr lebenslanges Lernen selbst zu übernehmen. Dies geschieht an den ‚Frei-Days‘ in Bratislava.

Zwei Tage darf ich Schulleiterin Carmen Nasse und die AQM-Koordinatorin Svenja Ceranna als Schatten durch die Schule begleiten. Besonders spannend ist für mich wie Schulleitungsarbeit an einer Schule funktioniert, die von einem privaten Trägerverein getragen wird und dabei sowohl unter der bundesdeutschen wie auch slowakischen Schulaufsicht steht. Ich kann mir gut vorstellen, dass gerade die Notengebung eine interkulturelle Herausforderung sind. Eine Note 2 in der letzten Mathearbeit in der 6. Klasse ist in Deutschland eine gute Note. In der Slowakei könnte das in mancher Familie Anlass zu Sorge sein. Und es gibt wohl keinen so sensiblen Bereich an Schulen wie Zensuren – noch dazu, wenn für den Schulbesuch Schulgeld erhoben werden muss.

Nach zwei Tagen an der Deutschen Schule in Bratislava bin ich mir bewusst, dass es eine enorme Verantwortung mit sich bringt, Lehrerin oder Lehrer an einer deutschen Auslandsschule zu sein. Eine Schulleiterstelle im Ausland zu übernehmen ist wohl wortwörtlich Berufung. Ob ich mir das eine oder das andere vorstellen könnte? Ich weiß es ehrlicherweise nicht. Noch nicht. Aber man soll im Leben bekanntlich nie ‚nie‘ sagen.


Die Pressemeldung auf der Seite der Deutschen Schule Bratislava

Im Bild (von links nach rechts): AQM-Koordinatorin Svenja CERANNA, Andreas STIEPAK, Schulleiterin Carmen NASSE vor dem Schulgebäude in Bratislava