Um die Erinnerung an die schrecklichen Verbrechen des Holocaust wachzuhalten, hatte Doris Werner, Fachbetreuerin für Geschichte an der FOSBOS Weißenburg, eine Überlebende eingeladen: Die heute 79-jährige Eva Franz war zweieinhalb Jahre alt, als sie mit ihrer Schwester und ihren Eltern ins KZ deportiert wurde. Sie überlebte die KZs Ausschwitz, Ravensbrück und Bergen-Belsen.

Inzwischen gibt es nur noch wenige Holocaust-Überlebende, die zur Zeit der nationalsozialistischen Völkermorde alt genug waren, um präzise eigene Erinnerungen zu haben. Die Schüler der FOSBOS Weißenburg, die selbst zwischen 16 und 19 Jahre alt sind, interessierten sich sehr für dieses sensible Thema. Im Unterricht diskutierten sie die Rolle, die Zeitzeugen spielen, sie beschäftigten sich mit Erinnerungskultur. Die Schüler erkannten schnell, dass sich ihnen mit dem Besuch von Eva Franz eine seltene Gelegenheit bot, noch eine Zeitzeugin aus dieser Zeit kennenzulernen und bereiteten entsprechende Fragen vor

Im Foyer der FOSBOS berichtete Eva Franz dann vor etwa 100 Schülern aus dieser Zeit und stellte sich den Fragen der Schüler. Eva Franz war es zu Beginn ein Anliegen zu klären, warum es so wichtig ist, dass Zeitzeugen berichten, auch wenn sie damals kleine Kinder waren: Ihrer Ansicht nach müssen junge Menschen, solange es möglich ist, den direkten Kontakt zu Opfern der NS Zeit spüren, damit so etwas nie wieder passiert. Damit sprach sie den Zuhörern aus der Seele.

In ihrem weiteren Vortrag klärte sie Details, wie die Begriffe „Sinti und Roma“. Bei dieser Bevölkerungsgruppe – zu der sie sich zählt – handelt sich um Menschen mit einer eigenen Sprache, welche aus dem indischen Raum vor ca. 600 Jahren nach Europa gekommen war und damals wie auch heute nur einen sehr geringen Teil der Bevölkerung ausmacht. Diese Volksgruppe, welche nur 0,05% der Bevölkerung ausmachte, wurde im Dritten Reich noch schärfer verfolgt als die Juden – dies war in den Nürnberger Rassegesetzen festgelegt. In der Wannsee Konferenz wurde die Ermordung der Juden und der Roma und Sinti angeordnet – die Hälfte von Evas Familie wurde umgebracht.

Eva Franz bezog sich im Zeitzeugengespräch vor allem auf Berichte ihres Vaters Emil Christ, der die Konzentrationslager Auschwitz und Mauthausen überlebte, und auf die Erinnerungen einer Überlebenden des KZ Bergen-Belsen, die der geschwächten Mutter der kleinen Eva versprochen hatte, sich um das Mädchen zu kümmern, sollte die Mutter zu Tode kommen – was leider auch so eintrat.

Selbst hat Eva Franz nur wenige eigene Erinnerungen aus ihrer frühen Kindheit: Der Zaun des Konzentrationslagers Auschwitz, dessen Nähe zu meiden ihre Mutter sie eindringlich warnte, die Befreiung aus dem Konzentrationslager Bergen-Belsen im April 1945. Und die Frau, die ihr immer wieder half zu überleben. Vier Jahre und acht Monate war Eva Christ – so lautet ihr Mädchenname – damals alt, und auf ihrem Arm war die Nummer 4167 eintätowiert. Sie zeigte den Schülern diese Nummer, die während ihres Lebens „mitgewachsen“ ist.

An den Tod der Schwester kann sich Eva Franz nicht erinnern; diese starb kurz nach der Ankunft in Auschwitz. Aber sie hat eine Erinnerung daran, dass ihr die Mutter erzählte, dass Krematorien zum Brotbacken benutzt wurden. Dass ihre eigene Schwester dort verbrannt worden war, erfuhr sie erst viel später.

Als der Vater 1945 – aus Mauthausen befreit und zu seiner Mutter nach Fulda gekommen – hörte, dass Eva lebte und in einem Nothospital in Belsen sei, machte er sich mit einem Motorrad auf den Weg, sein Kind von dort zu holen. Sie sollte zur Adoption in die USA gebracht werden, berichtete Eva Franz, der Vater kam buchstäblich in letzter Minute. Sie erkannten sich nicht, sie weiß aber noch, dass sie Angst hatte vor ihrem Vater, diesem „fremden Mann“, der sein Kind nur an einer Narbe, die von einem Sturz aus dem Kinderwagen stammte, erkannte. Er nimmt sie mit nach Hause, nach Fulda, das kleine Mädchen denkt zunächst, ihre Tante sei ihre Mama. Wenig später zieht die Familie nach Nürnberg.

Man merkte Eva Franz während ihrer Erzählungen an, wie sehr sie dies auch heute noch bewegt. Jedes Mal, wenn sie aus ihrer Kindheit berichtet, weint sie bittere Tränen. Aber sie sagt auch, dass sie keinen Hass verspürt – auch weil die Täter bereits alle tot sind.

Am Ende der Veranstaltung waren die FOSBOS-Schüler von der Authentizität des Vortrags von Eva Franz sichtlich beeindruckt.