OStR Andreas Stiepak besucht das Matyáš-Lerch-Gymnasium in der mährischen Landeshauptstadt
Andreas Stiepak, Lehrer an der Fach- und Berufsoberschule Weißenburg, war für zwei Tage zu Gast am Matyáš-Lerch-Gymnasium der mährischen Landeshauptstadt Brno. Möglich wird das durch das Programm erasmus+ der Europäischen Union. Hierbei stellt die EU Gelder für Mobilitäten von Lernenden und Lehrkräften zur Verfügung. Nachfolgend schildert er seine Eindrücke: „Gibt es ein deutschsprachiges Gymnasium in Brünn (Brno)?“ – Diese Frage stand am Anfang meiner Überlegungen, für zwei Tage an eine Schule in Tschechien zu gehen. Und es steckte auch etwas persönliches Interesse dahinter. Mein Großvater mütterlicherseits arbeitete als Pädagoge in Brno. Zugegeben ist das schon lange her. Bei der Recherche im Internet stoße ich dabei auf das GML, das Matyáš-Lerch-Gymnasium in Brno, der Stadt in der Gregor Mendel seine Vererbungslehre begründete. Ich schreibe auf Slowakisch eine E-Mail an den Schulleiter des Gymnasiums, Petr Sadovský, und bekomme in kurzer Zeit seine Antwort in tschechischer Sprache. Es klappt. Derartige Projekte haben seine volle Unterstützung. Gleich am nächsten Tag meldet sich Pavel Ampapa, Deutschlehrer am GML. Mich fasziniert es immer wieder auf das Neue. Tschechisch und Slowakisch sind zwei eigenständige Sprachen und trotzdem funktioniert die Verständigung bei Kenntnis der Gemeinsamkeiten und Unterschiede immens gut. Bei Muttersprachlerinnen und Muttersprachlern sowieso – bei mir zumindest in weiten Teilen beim Lesen. Ob ich bei der gesprochenen Sprache dann vor Ort auch mithalten kann, wird sich noch zeigen.
In Böhmen und Mähren beginnt die Schule nach den Sommerferien wieder am 1. September. Und schnell ist somit ein Termin für meinen Besuch gefunden. Der 8. und 9. September, also die letzte Ferienwoche in Bayern. Und weil wir in meiner Familie wir alle vier schulpflichtig sind, beschließen meine drei Mädels, unsere Urlaubskasse zu plündern und mich nach Brno zu begleiten. Ich darf zu Besuch ans GML und unsere Töchter Julia und Miriam werden zusammen mit ihrer Mama die mährische Landeshauptstadt erkunden und sich auf Suche nach den Spuren ihrer Groß- und Urgroßeltern machen. Außerdem beschließen wir die Reise mit unserem E-Auto anzutreten.
Am 8. September beginnt für mich der Schultag um 9:30 Uhr. Deutschlehrer Pavel Ampampa wird auf mich am Eingang an der Pforte warten. In Tschechien sind die Schulen abgeschlossen. Wer keinen Chip hat, muss sich an der Pforte melden. In Brno herrscht herrliches Spätsommerwetter und so laufe ich die knapp 800 m von meiner Unterkunft durch die Parkanlage Kraví Hora unterhalb der Brünner Sternwarte zum Matyáš-Lerch-Gymnasium. Ein herzliches Händeschütteln, dann stellt mich der Kollege dem Schulleiter, Petr Sadovský, vor. Ich darf über meine FOSBOS in Weißenburg berichten und wir ziehen Vergleiche zum GML. Und da ist wieder der Zauber, der mich fasziniert: die Kollegen sprechen Tschechisch, ich bemühe meine Slowakischkenntnisse. Wir verstehen uns.
Gleich darauf werde ich Pavel Ampapa in den Deutschunterricht begleiten. Das Matyáš-Lerch-Gymnasium ist Mitglied im PASCH-Netzwerk der bundesdeutschen Zentralstelle für Auslandsschulwesen. Die Schülerinnen und Schüler der Deutschklassen des GML werden systematisch auf den Erwerb des Deutschen Sprachdiploms der Kultusministerkonferenz vorbereitet. Souverän führt Ampampa die Schülerinnen und Schüler seiner Klasse durch die Stunde. Ein Meister seines Fachs. Als Englischlehrer finde ich viele Parallelen im didaktischen Aufbau. Der deutsche Muttersprachler in mir wird erwartungsgemäß gefordert. So systematisch betrachte ich die deutsche Sprache sonst nicht.
Mein Blick fällt auf die Füße der Schülerinnen und Schüler. Badelatschen-Alarm. Auch bei den Lehrkräften. Warm genug ist es dafür im sonnenverwöhnten Mähren. Aber zeitgleich fällt mir ein, dass es üblich ist in der Schule die Schuhe zu wechseln. Das kenne ich eigentlich aus der Slowakei. Bei mir schauen alle dezent über meine schwarzen Halbschuhe hinweg. Ein weiterer Unterschied: Nach jeder Unterrichtsstunde gibt es eine kurze Pause, einmal vormittags eine lange. So ist jede Unterrichtsstunde tatsächlich eine 45minütige Einheit. Für mich ist diese Taktung tatsächlich ungewohnt. Die sechste Stunde endet kurz vor 14 Uhr. Davor darf ich mit zum Mittagessen in die Schulkantine. Lernende und Lehrkräfte gehen hier zum Essen. Und es wird richtig bodenständig gekocht. Zehn Angestellte kümmern sich um die Zubereitung der Speisen, die Ausgabe und den Abwasch. An meinem zweiten Tag werde ich hier beim Mittagessen einen Kollegen aus Mexiko treffen. Er unterrichtet am GML das Fach Spanisch, hat in Polen studiert, spricht fließend Tschechisch und versteht Slowakisch und Deutsch. Ich merke schon, das Lerch-Gymnasium ist international richtig gut aufgestellt. Ohnehin scheint die Schule international stark verflochten zu sein. In einer von Ampapas Deutschklassen ist Schüler gerade von einem einjährigen Gastschulaufenthalt am Ferdinand-Porsche-Gymnasium in Stuttgart zurückgekehrt, seine Mitschülerin war sechs Monate in Österreich.
Ich denke an das Motto von Erasmus: „Neue Perspektiven, neue Horizonte.“ Genau das ist es, was ich hier in Brno erlebe. Kultureller Austausch lässt uns über unsere nationalen Tellerränder blicken. Gemeinsam sind wir mehr als die Summe der Teile. Wer neue Perspektiven entwickeln und neue Horizonte entdecken darf, fällt nicht auf das billige Geschwätz der Populisten herein. Erasmus leistete hier einen wertvollen Beitrag. Das gilt für mich als fränkischer Lehrer in der pulsierenden mährischen Metropole Brno genauso wie für die vielen Schülerinnen und Schüler meiner Schule, der FOSBOS Weißenburg, welche dank Erasmus zu Aufenthalten im Galway, Montpellier, Ávila oder in Bratislava unterwegs gewesen sind und auch im kommenden Schuljahr unterwegs sein werden.
Unser E-Auto, ein Škoda Enyaq, hat uns gut in seine tschechische Heimat gefahren und uns gut wieder zurück nach Franken gebracht. Das Ladenetz ist in Deutschland und Österreich gut ausgebaut. Das gilt auch für die Slowakei und Tschechien. Nach Möglichkeit haben wir jedoch die Tesla-Ladestationen entlang der Autobahn genutzt. Für das Laden an anderen Ladesäulen wäre es hilfreich gewesen, eine zusätzliche Ladekarte im Gepäck zu haben. Mit dem Handy hat es nicht immer funktioniert. Die neue Karte liegt jetzt für die nächste Fahrt nach Brno im Handschuhfach. – Sobald sich unsere Urlaubskasse wieder etwas gefüllt hat.
